Wetten, dass?

Mittwoch, 19. Mai 2010 von Stefan

„Die Buchmacher sehen Deutschland bereits als Gewinner“, jubelt die „Welt“. Das Schwesterblatt „B.Z.“ staunt: „Gerade bei den Briten, die uns Deutschen nicht immer viel zutrauen“, sei die deutsche Vertreterin „die Favoritin des diesjährigen Schlagerwettbewerbs“. Das führende Wettbüro William Hill setze sie mit der Quote neun zu zwei an Platz Eins. Nur die „Berliner Zeitung“ ist ein bisschen skeptischer und meldet, Deutschland werde von den Buchmachern auf dem zweiten Platz hinter Schweden gehandelt. Aber auch vor Ort seien viele begeistert von dieser besonderen Frau, die nach Jahren der Niederlagen endlich wieder einen deutschen Sieg beim Eurovision Song Contest schaffen soll: Corinna May.

Die zitierten Meldungen über die deutsche Favoritin sind aus dem Jahr 2002. Corinna May kam auf den 21. von 24 Plätzen; aus keinem Land gab es mehr als 4 Punkte. Soviel vielleicht als kleine Warnung, zu viel auf die sich aktuell überschlagenden Berichte zu geben, dass Lena Meyer-Landruts „Satellite“ in den virtuellen Wettstuben der internationalen Buchmacher ganz vorne liegt.

Im Jahr 2000 berichteten deutsche Zeitungen, dass Stefan Raab bei den Buchmachern beste Siegchancen eingeräumt würden (Platz 5), 2007 wurde Roger Cicero angeblich als Favorit gehandelt (Platz 19), 2006 sollen griechische Buchmacher Texas Lightning auf den vorderen Plätzen gesehen haben (Platz 15), und 1998 galt Guildo Horn kurz vor der Show in Birmingham plötzlich als „Top-Favorit“ (Platz 7).

Natürlich liegen die Wett-Quoten nicht immer daneben. Den Sieg von Norwegen im vergangenen Jahr haben sie ebenso vorausgesagt wie die Chancenlosigkeit von Gracia (letzter Platz). (Für beides hätte man jetzt aber auch nicht gleich ein Wettbüro eröffnen müssen, um zu ähnlichen Prognosen zu kommen.) Und womöglich ist die Auswertung von Google, die auf der Grundlage von Suchanfragen ein mögliches Publikumsvoting errechnet und Lena vorne sieht, auch nicht ganz ohne Aussagekraft.

Aber es findet in Deutschland gerade eine Art Massenautosuggestion statt. Die Fernsehnation ist immer noch hin und weg von dieser unbekannten, sympathischen, rätselhaften, modernen jungen Frau, die uns beim Eurovision Song Contest vertritt, und weil wir so begeistert sind über dieses unverhoffte Glück, kann es gar nicht anders sein, als dass der Rest Europas ihrem Charme auch erliegt — oder längst erlegen ist.

Sogar in Großbritannien, dem Land, nach dessen Anerkennung als quasi offizieller Oberjuror über die Respektabilität von Pop-Phänomenen wir uns sehnen, sollen sie schon ganz verrückt nach Lena sein. Die „Welt“ schreibt:

„Satellite“ hat etwas ausgelöst, das Briten bereits „Lenamania“ nennen. (…) die Insel freut sich über Lena Meyer-Landrut wie über einen verwandelten Elfmeter.

Das halte ich für ein Gerücht. Auf den englischen Nachrichtenseiten findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass eine größere Zahl von Briten verrückt nach Lena ist oder überhaupt nur von ihr Kenntnis genommen hat. Weder BBC noch „Guardian“ oder „Times“ haben ihr schon einen Artikel gewidmet; das Wort „Lenamania“ ist ebenso unbekannt wie das behauptete Phänomen.

Das Fieber kann natürlich noch ausbrechen. Es ist nicht einmal völlig ausgeschlossen, dass Lena Meyer-Landrut sogar den Grand Prix gewinnt.

Oder halt einer von den anderen.

28 Antworten zu “Wetten, dass?”

  1. hangy sagt:

    Bei der Google-Auswertung muss für einen wirklichen Wert der Aussage, dass „Lena“ auf Platz 1 ist sicherlich ganz schön geschummelt werden. Der Vorname ist weltweit nicht gerade einzigartig und als Stichwort bei einem Vergleich der Suchwörter nun wirklich nur bedingt zu gebrauchen … 🙂

  2. avareavare sagt:

    sehr viel wird auch die performance im finale ausmachen. das darf man nicht außer acht lassen. ist wie im sport. die tagesform ist sehr wichtig. zudem ist ein faktor für mich völlig unberechenbar. dieses mal darf erstmals die gesamte sendung angerufen werden und nicht erst nach dem letzten song. welche folgen dies haben wird kann keiner sagen. zudem ist die potentialle manipulation jetzt wesentlich vereinfacht. man sollte nicht zu paranoid sein, aber wenn jemand richtig geld reinsteckt, kann mit wahlcomputer stundenlang für einen interpreten angerufen werden, dies war mit dem früheren zeitfenster nicht so möglich.

  3. Amfitrion sagt:

    @ avareavare

    1.Nachdem der erste Kandidat gesungen hat werden die Leitungen für ALLE Kandidaten geöffnet.
    2.Man darf nur 20 mal für einen Kandidaten voten (Pro Telefon).

  4. Lukas sagt:

    Und wenn Du Dir einredest, dass Lena nicht gewinnt (damit Du nicht singen musst), ist das keine Autosuggestion?

  5. Heiko sagt:

    Das Goggle-Tool ist übrigens wirklich ganz super.

    Wenn man dort in der Zeit zurückfährt, dann stand da Lena schon Mitte 2009 auf dem ersten Platz des Rankings.

    Gut, zu ungefähr diesem Zeitpunkt hat sich Fraulein Lena gerade für RTL nackig gemacht, aber ob dies den Ausschlag bei Goggle gegeben hat bleibt wohl zu bezweifeln…

  6. SvenR sagt:

    Allein, dass die Wettbüros und die Google-Auswertung nicht nur in Deutschland in der Presse „gehyped“ in relevanten Medien genannt werden, ist doch ein durchaus positives Zeichen.

    Und ich würde Euch beide gerne singen hören.

  7. Stefan sagt:

    @Heiko: Wie kann man denn dort soweit in der Zeit zurückfahren?

  8. Stock Holm sagt:

    War Oslog.tv nicht als Video-Blog angekündigt worden?

  9. […] von „Oslog”-Leser Heiko — drüben, auf oslog.tv, habe ich auch noch was über den ganzen Wettfavoriten-Wahn […]

  10. Klaus sagt:

    Die Wettquoten haben sich in den letzten beiden Wochen aber doch deutlich geändert, zumindest bei der Wettbörse Betfair, die in Sachen Quoten wohl das nonplusultra sein dürfte (bereits knapp 400.000 Euro Umsatz auf dem betreffenden Markt). Jedenfalls sieht es da inzwischen so aus:

    1. Aserbaidschan: Quote 2,58
    2. Deutschland: Quote 6,80

    Die waren vor ein paar Wochen noch gleichauf bei etwa 4,50-5,00. Eine derartig niedrige Siegquote für ein Land habe ich noch nicht gesehen in den letzten 5-7 Jahren (seit es überhaupt erst ernstzunehmende Quoten gibt).

  11. mihunt sagt:

    Ich glaub dieser Prognose auch nicht ein Wort. Wenn man die weiteren Plätze sieht… da gibts doch noch wesentlich andere Favoriten, die viel weiter vorn stehen müssten.

  12. Petra sagt:

    Könnte man bitte dieses triste Grau etwas heller machen?

  13. Jörch sagt:

    Ich bin nicht sicher, ob die beschriebene Autosuggestion vor sich geht, weil ein ganzes Land immer noch in Lena verknallt ist. Es könnte sich ebenso um den altbekannten masochistischen Reflex handeln, der am Sonntag nach dem Grand Prix wie gewohnt zu allerlei Katzenjammer führen wird, wie wenig uns der Rest Europas doch leiden kann (…und wo, bitte, waren die 12 Punkte aus Griechenland? Undankbare Brut!).

    Mehr Punkte für Deutschland können eigentlich nur resultieren aus: Teilnahme am Halbfinale (wie alle anderen auch…zumindest alle, die in den letzten Jahren gewonnen haben) und mühsames Tingeln durch die Vorentscheidungen der anderen Länder.

  14. Im Text heißt es, die Buchmacher hätten im letzten Jahr den Sieg von Norwegen vorhergesagt und auch das Scheitern von Gracia für Deutschland. Letzteres war aber schon 2005…

    2009 wurden wir ja von „Alex Swings Oscar Sings“ (ja, das mußte ich sicherheitshalber noch mal nachschlagen) vertreten – und gab es da nicht auch die eine oder andere positive Prognose vor dem Song Contest?

  15. jordgubbsglass sagt:

    „Die Fernsehnation ist immer noch hin und weg von dieser unbekannten, sympathischen, rätselhaften, modernen jungen Frau“…

    Interessant, wie unkritisch verallgemeinern man als Medienkritiker werden kann.

    Unbekannt? Wohl längst nicht mehr.
    Sympathisch? Darüber lässt sich (nicht) streiten.
    Rätselhaft? In etwa so wie alle andere Nachmittagsprogrammlaiendarsteller.
    Modern? Was ist das, woran erkenn ich das?
    Jung? Unbestritten.
    Frau? Auch.

    Selten hat mich eine Person (oder vielmehr ihre selbstverschuldete Allgegenwärtigkeit) dermaßen genervt. Das Lied ist scheiße, das allein wäre aber noch kein Grund, Lena Dings-Bumms irgendwie Misserfolg zu wünschen. Das Gesicht auf jedem Sender, auf jedem Blatt, das ist ein Grund.

  16. blue eddy sagt:

    ähhmm – ich finde den dunklen hintergrund der tv-mattscheibe und die nur unwesentlich dunklere schrift irgendwie nicht sehr lesefreundlich. auch mit textzoom (firefox) kann ich nur so gerade eben erkennen, was hier geschrieben steht – kann man da noch was machen? und ja – ich habe die sonnebrille schon zur seite gelegt …

    beste grüße von hinter der barriere – blue-eddy

  17. Lukas sagt:

    Die FAQ sagen:

    Es wird Videoclips geben, Fotos, Texte, Töne — eigentlich alles, was man so als “multimedial” bezeichnet.

  18. Philipp Peco sagt:

    Lena Meyer Landrut ist ein Naturtalent. Ihre Spielfreude springt auf so viele Menschen über. Lena hat sich bei Raab selber inzeniert . Lena hat nach dem ersten Auftritt bei Raab schon so begeistert und das bringt Sie auch in einem 3 Minuten Auftritt auf der Bühne in Oslo herüber. Die Frau brauch gar keinen Sieg beim ESC, so viel Spass es uns machen würde. Wir sind alle schon angesteckt und dass weit über unsere Grenzen hinaus, dass Internet machts möglich. Warum eigentlich immer so ernst, der ESC ist doch nur ein grosser Spass. Europa singt und jedes Land möchte auch mal Gastgeber sein.

  19. hexagrammaton sagt:

    Sollte Lena dann doch nicht gewinnen: Anmeldungen für den Lena-Gedenk-Autokonvoi „Jena-Speyer-Landshut“ nehme ich ab jetzt schon entgegen.

  20. Mat sagt:

    Ich möchte mich den Layout-Kritikern anschließen. Wenn das nicht besser wird, muss ich Oslog leider boykottieren – ich brauch bei dem mickrigen Kontrast einfach zu lange zum Buchstabenraten.

    Im Übrigen wäre ich für Rashni mit Babushka…
    http://www.youtube.com/watch?v=mAsAYzgkDbA
    …ist viel besser als LMR ;-).

  21. jordgubbsglass sagt:

    @Philipp Peco

    Jetzt, wo Sie es schreiben: Selbstverständlich kennt die Welt keine grössere Musikerin als dieses Naturtalent. Was spielt sie denn? Naives Mädchen oder doch irgendein Instrument?

    Auf jeden Fall hat sie Blähungen, wenn sie nervös ist, das weiss ich dank BILD. Jeden anderen mit derart hemmungsloser Profitgier, Kooperationsbereitschaft mit dem Boulevard und exhibitionistischen Tendenzen würden die Hausherren hier in der Luft zerreissen.

    Wähnen Sie Sich ruhig weiter im weltweiten Wahn um dieses Kunstprodukt, das tut ja keinem weh und macht Spass und um mehr geht es ja eh nie.

  22. avareavare sagt:

    @ Mat: wer ist LMR? vertippt oder was? ich komme nur auf LML wenn ich die anfangsbucstaben aufschreibe.

    @jordgubbsglass: so ich mitbekommen habe hat sie noch kein interview oder sonstwas der bild gegeben. (liegt wohl an raab, der ja diese „zeitung“ konsequent boykottiert.) sie kann nichts dafür, wenn in der bild alle möglichen lena-meldungen recyvelt werden. auch sonst kann ich so gut wie keiner aussage deines kommentars zustimmen. einzig dem vorwurf das hier etwas übertrieben wird kann ich ansatzweise folgen, aber so ist das halt, wenn seit ewigkeiten mal wieder jemand mit echten chancen beim grand prix antritt und das meiste wird nicht von ihr bzw. raab und brainpool forciert. das ist halt ein selbstläufer geworden. und zurecht, denn sie hat was. und wenn sie mal etwas älter ist wird man auch sehen, wie viel sie zustandebringt, wenn kein raab im hintergrund arbeitet. aber das ist jetzt okay und auch richtig so. das macht sie noch lange nicht zu einem kunstprodukt. das mädel ist 18! da ist man noch kein kompletter künstler, der alle songs selber schreibt und die komplette künstlerische kontrolle hat. mir fallen in den letzten 20 jahren nur tegan & sara ein, die mit 18 jahren ein komplettes album rausbrachten, wo sie alle songs selbst geschrieben hatten. aber tegan und sara waren aber auch zu zweit.

  23. BigC sagt:

    auja, ich begleite Euch virtuell auf Eurer Reise…. und bitte, bitte : Aktion Hauptbahnhof nach dem Finale bitte auch zeigen!!!!!!! Danke, Freu mich schon!!!!!!

  24. Stefan sagt:

    @BigC: Natürlich zeigen wir, wie Lukas dann vor dem Hauptbahnhof singt!

  25. Andischatz sagt:

    …alles Layout-Kritikern empfehle ich als workaround einfach die Tastenkombination CTRL-A. 😉

  26. Philipp Peco sagt:

    da bin ich nochmal.ja, ich bin ein fan, vielleicht auch ein bißchen übertrieben.hab doch geschrieben dass es mir nicht um ihren sieg geht. wenn sie auf platz 18 kommt , geht sie mit den anderen musiker einen trinken und singt weiter… und ihre bühne ist noch garnicht gefunden.stolpern sie mal in eine box singen ein lied und stehn ein paar monate später so in der öffentlichkeit. und stehn sie dass mal durch mit allem was sie sonst noch so auf dem zettel haben.das geht nur wenn sie was zu erzählen haben, wenn sie diese spielfreude und liebe haben als darsteller das handeln der anderen verstehen zu wollen. und dieses talent hat lena meyer landrut.warum sonst soviel wirbel.ja, ich bin ein fan aber es gibt künstler bei uns die das genauso fühlen oder waren die bei ESFO alle nur übertrieben begeistert?ich freu mich drauf und bin überzeugt mal im theater oder im kino zu sitzen und sie zu sehn, da gehts hin….ein fan aus holland der hier seine brötchen verdient.

  27. Sebastian S. sagt:

    „Whoever wins – we lose“ – Transformers

  28. Jekylla sagt:

    Das Design im Prilblumen-Style und dem etwas herbstlich anmutenden Tristgrau als Kontrapunkt ist eigenwillig, aber das soll sicher so.

    Ich persönlich finde zu dieser „unbekannten, sympathischen, rätselhaften, modernen jungen Frau“ nicht so wirklich den Zugang und werde vielleicht oder meinetwegen auch wahrscheinlich eine Kiste Astra dabei verlieren, tippe aber einen zweistelligen Platz.